Geduld ist eine Tugend. So heisst es. Eine Tugend bezeichnet eine moralisch gute Eigenschaft. Ein geduldiger Mensch wird von seinem Gegenüber als Angenehm empfunden und sehr geschätzt. Wir mögen es, wenn jemand geduldig mit uns ist und rechnen dies dieser Person hoch an. Doch warum fällt es uns dann oft selbst so schwer, geduldig zu sein?
Schon in der Schulzeit werden wir angewiesen, Aufgaben möglichst rasch zu lösen. Die Langsamen werden gefordert, um sich dem Level der Schnelleren anzunähern. Geduld mit unseren Kindern oder unserem Partner ist oft ein Luxus, für den wir uns kaum Zeit nehmen. In der Werbung wird uns laufen suggeriert, dass Ungeduld angebracht ist: Kaufe Jetzt! Nur für ganz kurze Zeit! Wer wartet ist blöd! Auch auf der Arbeit ist meistens keine Geduld angesagt, denn das Projekt muss innert kurzer Frist abgeschlossen sein, das Mailing so rasch wie möglich versendet werden und das Meeting soll unbedingt noch heute stattfinden. Meist ist unsere Geduld gefordert, wenn wir irgendwo warten müssen: An der Bushaltestelle, am Postschalter oder im Stau auf der Autobahn. Dann sehen wir uns nervös scharren, das Handy zücken oder die Hände ringen.
Doch wenn die Geduld von der Gesellschaft so hoch angepriesen und geschätzt ist, warum treffen wir sie dann so wenig an? Wann warst du das letzte Mal richtig geduldig und mit wem? Wie hat dieser Mensch darauf reagiert? Wann war jemand mit dir geduldiger als erwartet? Wie hast du dich dabei gefühlt?
Gerade in der jetzigen Zeit scheint es mir oft so, als wäre die Geduld bei vielen zu Ende. Der Kragen ist kurz vor dem Platzen und man hat einfach genug von der aktuellen Situation. Man hadert, wann denn diese schreckliche Zeit endlich zu Ende sei. Weder habe man Lust darauf und schon gar keine Geduld mehr. Gerne möchte man es wieder wie früher haben und tun und lassen können, was man will. Doch ganz ehrlich, weiss irgendjemand wie lange diese spezielle Zeit noch andauert? Mir konnte es auf jeden Fall noch niemand sagen. Habe ich Lust, bis dahin schlechte Laune zu verbreiten? Nein, ich glaube nicht. Wenn wir diese Zeit jetzt dazu nutzen, Geduld zu üben, dann werden wir auch in späteren Momenten geduldiger sein: Mit anderen und vielleicht sogar mit uns selbst. Das wünsche ich mir von ganzem Herzen für alle von uns.
Also üben wir Geduld. Gemeinsam. Dann fällt es uns allen bestimmt leichter.
Eure Christine
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